Der englische Begriff „Legacy“ bedeutet auf Deutsch „Vermächtnis“ oder „Erbe“ – allerdings kann ein solches Erbe auch bedeuten, dass es eigentlich um eine Altlast geht. Zahlreiche Unternehmen haben im Hinblick auf ihre IT-Systeme mit solchen Altlasten zu kämpfen. Als prominentes Beispiel gilt das europäische Bankensystem, das auf längst veralteter Software beruhen soll.
Bei einem Legacy System oder Altsystem handelt es sich um veraltete Software oder Hardware, die verwendet wird, obwohl eine Ablösung aufgrund der aktuellen technologischen Entwicklung überfällig ist. Legacy Systeme finden sich in allen Unternehmensbereichen, in denen IT-Anwendungen Relevanz besitzen. Viele dieser Altsysteme sind Individualentwicklungen, die zum Teil noch auf großrechnerbasierten IT-Strukturen basieren. Gemeinsam ist ihnen, dass sie im Hinblick auf Konnektivität, Skalierbarkeit, Sicherheit und den Aufwand für die Software-Wartung nicht mehr in der Lage sind, aktuelle Anforderungen zu erfüllen.
Für das Festhalten an einem Legacy System kann es viele Gründe geben:
Trotzdem sprechen viele Argumente dafür, ein Legacy System durch aktuelle Software und gegebenenfalls auch neue Hardware auszutauschen:
Sicherheitsprobleme sind bei Legacy Software vorprogrammiert, da die Systeme mehrheitlich aktuelle Sicherheitsstandards und Datenschutzvorgaben nicht mehr erfüllen. Hierdurch können sehr schnell systemrelevante Sicherheitslücken, aber auch Compliance-Verletzungen entstehen.
Mit aktuellen Anwendungen und Technologien ist ein solches Altsystem, wenn überhaupt, oft nur in eingeschränktem Umfang kompatibel, zudem Schnittstellen für eine integrierte Datenverarbeitung und Datenverwaltung häufig fehlen.
Unter anderem aufgrund unzureichender Datenintegration kann ein Legacy System innerhalb des Unternehmens zu funktionalem Stillstand führen. Daten werden in voneinander isolierten Datensilos vorgehalten – ihre Verfügbarkeit ebenso wie Möglichkeiten für komplexe Analytics sind daher sehr eng begrenzt. Moderne und teilweise automatisierte Auswertungs- und Analyseverfahren auf der Grundlage von Big Data, Künstlicher Intelligenz (KI) oder Data Science können auf der Basis von Altsystemen nicht zum Einsatz kommen. Auch die Anwendung digitaler Technologien in Produktions- und Leistungserbringungsprozessen stößt durch Legacy Systeme schnell an ihre Grenzen.
Die Konnektierbarkeit und Skalierbarkeit von Legacy Systemen sind generell begrenzt, so dass es schwierig ist, sie in eine moderne IT-Infrastruktur zu integrieren.
Ein Legacy System erfordert im Vergleich zu einer modernen IT-Architektur einen deutlich höheren Aufwand für die Software-Wartung.
Ein Altsystem ist ein relevanter Kostenfaktor. Um das System funktionsfähig zu erhalten, sind oft spezielle Ersatzteile und Know-how erforderlich. Auf lange Sicht steht der finanzielle Aufwand, um ein Altsystem funktionsfähig zu erhalten, fast immer in einer ungünstigen Relation zu den Investitionen in ein modernes IT-System.
Der Worst Case ist gegeben, wenn der Hersteller des Altsystems den Wartungsvertrag für die Software kündigt und keinen Support mehr zur Verfügung stellt. Für die Betreiber von Legacy Systeme ergeben sich daraus Herausforderungen in mehr als einer Dimension. Besonders relevant sind hier die folgenden Punkte:
Trotzdem führt am Ersatz des Altsystems früher oder später kein Weg vorbei, wenn es im Unternehmen nicht zu – zum Teil beträchtlichen – Produktivitätseinbußen und Sicherheitsproblemen kommen soll.
Wenn der Wartungsvertrag für die Software abgelaufen ist, sind Unternehmen keineswegs dazu gezwungen, das Folgesystem des bisherigen Systemanbieters zu erwerben. Vielmehr besteht jetzt eine optimale Chance, bestehende Strukturen aufzubrechen und die IT-bezogenen Prozesse innerhalb des Unternehmens neu zu denken. Hierfür müssen sich Unternehmen jedoch einige strategische Fragen stellen.
Bei der Anschaffung neuer Software und IT-Systeme war in Unternehmen über lange Zeit der sogenannte Best-of-Breed-Ansatz weit verbreitet. Dabei wird keine ganzheitliche IT-Lösung auf der Grundlage von Systemlösungen eines Anbieters etabliert – vielmehr kommt in den einzelnen Anwendungsbereichen eine jeweils spezifische Lösung zum Einsatz, die als optimal für die Realisierung der jeweiligen Prozesse betrachtet wird. Auch unternehmensinterne Gegebenheiten spielen hierbei eine Rolle – im Einzelfall lassen sich durch ein solches Vorgehen höhere Flexibilität und damit auch Produktivitätszuwächse erzielen. Teils lassen sich auch potenzielle Risiken minimieren. In der Ära volldigitalisierter Plattformen, die alle im Unternehmen vorhandenen Daten und IT-Systeme umfassend vernetzen, ist ein Best-of-Breed-Konzept – unter anderem aufgrund der daraus resultierenden Schnittstellenproblematik – in der Regel jedoch nicht mehr in der Lage, alle Anforderungen an eine zeitgemäße IT-Struktur ohne Abstriche zu erfüllen. Der allgemeine Trend in der IT geht heute eindeutig zu vollintegrierten Systemen, die eine durchgehende Prozessgestaltung unterstützen.
Vor der Auswahl von Alternativen, die für den Ersatz eines Legacy Systems in Frage kommen, sollte eine Bestandaufnahme der bisherigen Prozessgestaltung stehen. Relevant sind in diesem Kontext beispielsweise die folgenden Fragen:
Wenn sich in den Antworten Defizite im Hinblick auf eine zentral gesteuerte Prozessgestaltung zeigen, ist vom Prinzip her klar, dass Sie für Ihr Unternehmen – und als Ersatz für Ihr Legacy System – eine vollständig integrierte IT-Lösung benötigen.
Bei der Realisierung des Systemaustauschs sind die Datenmigration und das Vermeiden von Datenverlusten zentrale Fragestellungen und Arbeitsfelder. Generell gilt, dass es heute mittels moderner Technologien problemlos möglich ist, vorhandene Daten aus dem Legacy System in ein neues IT-System zu übertragen. Digitale Technologien unterstützen nicht nur die Sammlung und Weiterverarbeitung großer Datenmengen, sondern auch eine schnelle und reibungslose Umstellung von Systemen inklusive einer vollständigen Datenmigration. Im Blick behalten sollten Sie hierbei allerdings, welche Daten Sie in Zukunft tatsächlich benötigen und Ihre Datenbestände vor oder während des Aufbereitungsprozesses entsprechend aufbereiten und filtern.
Für die Umstellung selbst stehen Ihnen drei Optionen zur Verfügung:
Eine Direktablösung bietet in der Regel einen Kostenvorteil, erfordert allerdings hohen Trainingsbedarf und birgt das Risiko, dass es zu Fehlern und Funktionsausfällen kommt. Bei den anderen beiden Ansätzen werden solche Risiken reduziert, da es möglich ist, die Funktionsfähigkeit des neuen Systems unter Praxisbedingungen zu erproben, das Legacy System jedoch bis auf weiteres in der Lage ist, Funktionsprobleme auszugleichen. Sie müssen hierbei jedoch mit einer längeren Projektlaufzeit kalkulieren. Welche Vorgehensweise besser ist, lässt sich nur unternehmensindividuell im Rahmen einer entsprechend angepassten, intelligenten Strategie entscheiden.